Samstag, 27. November 2010

Cuzco und das heilige Tal

Nachdem wir die Ruine von Machu Picchu ausgiebigst inspiziert hatten und keine unsaubere Fuge zwischen den tonnenschweren Steine fanden, versuchten wir nun unser Glück in der Stadt Cuzco und ihrer Umgebung. Cuzco gilt als die Inka-Hauptstadt schlechthin und stellt eine der schönsten Städte Perus dar, trotz ihrer rund 800.000 Einwohner. Doch auch hier tangieren die Spaltmaße der erhaltenen Inka-Mauern nahezu gegen Null, was vor allem die japanischen Touristen staunen lässt. Diese kämpfen ja schon seit geraumer Zeit mit den Karosserie-Spaltmassen ihren aktuellen Kopie-Autos.


Doch neben perfekten Inka-Überbleibseln und billigen Touristen-Souvinier-Ständen lässt sich in der Region um Cuzco noch einiges mehr erleben. Nirgends fiel es uns bisher leichter, uns unter das Volk zu mischen und somit in das „richtige“ Leben der Peruaner einzutauchen. Auf dem Mercado Central, dem Dreh-und Angelpunkt des täglichen Handels – sozusagen einAnden- Aldi für frische Artikel – kann man alles kaufen, was man braucht, nicht braucht und noch nie vorher gesehen hat. Von Blumen über frisches, ungekühltes Fleisch bis zu Alpaca-Klamotten ist alles dabei vertreten. Wir gönnten uns eine Pause beim Lecker-Schmecker-Menü-Stand und aßen gemeinsam mit den Einheimischen Mittag und tranken frisch zubereiteten Mix-Obstsaft mit Papaya, Orange, Banane, Apfel, Zitrone und Maracuja. 3 Gläser für 5 Soles (ca. 1,25 Euro) Hmm, Lecker! Soviel Gesundheit hält fast keiner aus – Durchfallgefahr!!


Aber auch auf dem Lande ringsherum hatte wir oft einen guten Einblick in das einfache Leben der Menschen, da wir Touristenbusse vermeiden und lieber mit den billigen einheimischen Bussen fahren, die überall halten und wirklich alles transportieren. Von Holz- und Kartoffelsäcken bis Waschbecken und Baumaterialien war schon alles dabei! Jeder Bauer besitzt hier ein kleines Stück Land, welches er, meist mit einem Stierpflug, mit den Samen seiner Wahl bestellt. Zur Erntezeit kommt ihm dann das ganze Dorf helfen und umgekehrt. So wird gegenseitige Hilfsbereitschaft gefördert.


Eine ganz interessante Anbautaktik entwickelten dabei die Inkas selbst. Um Pflanzen aus dem warmen, nassen Dschungel an das kalte und trockene Hochland zu gewöhnen, wurden sie schrittweise umgepflanzt und akklimatisiert. Eine solche Prä-Gentechnik-Anlage ist Moray. Hier herrscht je nach Höhe der Anbauterrasse eine andere Temperatur und Luftfeuchte und ein besonders cleveres Leitungssystem bewerkstelligte die Bewässerung der Zuchtpflanzen. Die Anbaupflanze schlechthin ist dabei Quinua, eine Art Korn, aus welchem man leckere Suppen, Brot, und Müsliriegel machen kann.


Eine rein spirituelle und repräsentative Bedeutung hatte die Ruine von Sacsayhuaman. Von dem einst riesigen Bauwerk stehen dank der spanischen Zerstörungskraft jedoch nur noch einige Mauern aus monströsen Steinen. Der schwerste von ihnen wiegt dabei über 150 t – und es brauchte mehrere tausend Sklaven ihn in Position zu bringen. Einmal im Jahr wird hier in den Mauern der Ruine ein Fest gefeiert, wo alle Andenstämme in traditionellen Trachten ihre Tänze aufführen und somit ihre Kultur am Leben erhalten.


Am Ende des Tages, nach Sightseeing, Wäschewaschen und viel Essen und Ausruhen, ging es schließlich mit dem Nachtbus in Richtung Puno am Titicacasee. Auch in diesen teils 4 achsigen Bussen gibt es Betten, in denen man ganz bequem schlafen kann.

Die Heilige Stadt

Erst 1911 entdeckten Forscher inmitten der peruanischen Anden eine vom Dschungel überwucherte Inka-Stätte, die von ganz besonderem Wert für die Geschichte Südamerikas und Perus sein sollte – Machu Picchu! Auf einem Berg nahe Aguas Calientes gelegen, soll hier einer der symbolträchtigsten religiösen Orte der letzten Inkas gewesen sein. Schon alleine deshalb freut es die einheimische Bevölkerung besonders, dass die zerstörerischen Spanier auf ihren Kreuzzügen im 16. Jahrhundert durch Südamerika das riesige Bauwerk nicht gefunden haben. Nirgendswo ist ein christliches Kreuz zu sehen und auch die Mauern und Häuser wurden nicht abgerissen, um die Steine anderswo einzubauen. Alles ist noch so gut erhalten, wie es die Inkas vor vielen Jahren verlassen haben.


Mehrere Wege führen nach Machu Picchu. Aus zeitlichen Gründen wanderten wir nicht den berühmten Inkatrail, sondern nutzten ein weitaus moderneres Hilfsmittel – den sauteuren Zug! Morgens um 4.30 Uhr standen wir auf der Matte und waren pünktlich 6 Uhr vor den Toren der steinigen Tempel- und Wohnanlage, um unter den ersten 400 Besuchern zu sein. Somit hatten wir das Privileg nicht nur zwischen den perfekt gebauten Steinwänden herumzustromern, sondern auch auf den markanten Huayna Picchu klettern zu dürfen. Dies ist der spitze Berg im Hintergrund eines jedes Postkartenmotives.

Doch ersteinmal wurde unsere Freude – sprichwörtlich - mächtig getrübt, da bei unserer Ankunft dichter Nebel herrschte und somit von den makelosen Steinwällen nichts zu sehen war. Nach 2 Stunden unendlichen Wartens am „Postkartenfotoschießpunkt“ klarte der Himmel plötzlich auf und bescherte uns einen traumhaften Blick über die Anlage. Die verbleibenden Nebelbänke bescherten uns dabei ein mystisches Bild.


Bei makellosen Wetter konnten wir die Inka-Ruine von nun an richtig genießen. Wir schlenderten herum, zirkelten um dicke schwitzende Bustouristen herum und machten Umarmungsbilder mit einer ganzen Klasse von peruanischen Schulkindern. Um 10 Uhr durften wir die Besteigung des Huayna Picchu beginnen.

Schon am Eingang stand ein großes Schild, das dieser Kletterweg nichts für schwache Nerven und nur für Menschen mit guter Kondition geeignet ist. Nach wenigen Metern stieg der Weg steil an, um nach 40 Minuten Kletterei an einer fast senkrechten Wand zu enden. An dieser mussten wir dann auf allen Vieren die sehr engen Stufen hochkraxeln. Die Stufen waren so klein, dass von meinen Schuhen, die ja eine Größe kleinerer Einmannkanus besitzen, nur die Spitze heraufpasste. Eine knifflige Angelegenheit! Oben auf dem Gipfel erwartete uns leider nicht, wie erhofft, eine Baute mit Germknödel, Vanillesauce und Mohnkrümeln, sondern ein Knäul von anderen Touristen, die sich auf der kleinen Spitze drängelten.


Die Aussicht war toll. Der Höhenunterschied vom Gipfel zum umgebenden Fluss lag bei nahezu senkrechten 1000m! Wuhahah...“gut festhalten“ war deshalb beim Abstieg geboten!

Nachdem wir jeden Stein, jede Höhle und alle Lamas ausgiebig besichtigt hatten, ging es mit dem Bus zurück nach Aquas Calientes, wo ein leckeres Restaurant auf unsere Bestellungen wartete. Nach 10 Stunden wandern, klettern und herumsitzen auf Machu Picchu reichte es uns für den heutigen Tag mit Sightseeing! Zug und Bus brachten uns schließlich zurück nach Cuzco.

Das waren zwei sehr lange Tage! Die Aussichten auf die perfekten Ruinen und die imposante Natur ringsherum waren aber jede dieser Anstrengung wert.

Mittwoch, 24. November 2010

Auf Tarzans Spuren!

Nach einer Stunde Warterei am Flughafen war es endlich soweit – wir bekamen Nachwuchs. Unsere Zweier-Reisegruppe verdoppelte ihre Teilnehmerzahl. Mit Ronny und Janet aus dem schönsten Dorf der Welt (Wer weiß, wo das ist, der bekommt einen Preis!), sollten uns 3 tolle und lustigeWochen bevorstehen. Der Anfang wurde schnell gemacht. Nach einer kleinen Eingewöhnungsphase in Cuzco gings 5 Uhr Nachts auch gleich auf die erste große Tour – der Dschungel stand vor der Tür und sollte für die nächsten 4 Tage unsere Heimat sein.

Von Cuzco aus chauffierte uns einer der langsamsten Vans der Welt (ein Ford, was sollte es anders sein?!) über hohe Berge und tiefe Täler in Richtung des Nationalparkes Manu! Dieser bildet einen Teil des südlichen Amazonasbeckens und somit die Quelle des wasserreichsten Flusses der Welt! Außerdem besitzt der Manu Park auch einen Teil Hochland-Dschungel, den Nebelwald, der sich bis in eine Höhe von 4000m erstreckt. Mit dem klapprigen Ford kämpften wir uns nun durch den dichten Nebel den einspurigen, feuchten Pfad abwärts Richtung Paucartampo, dem Tor zu Tarzans Spielwiese. Trotz des unglaublich niedrigen Tempos schaffte es unser talentierter Fahrer einer kleinen grünen Schlange die Vorfahrt zu schneiden und ihr direkt über den Kopf zu fahren. Der restliche intakte Körper wurde dann zum Spielball der Fotografen und Schlangenantatscher. Nach diesem Schreck durften wir später in einer gemütlichen Regenwald-Lodge übernachten und unsere vom Van geknickten Glieder beim Vogelbeobachten wieder voll entfalten. Mit ein wenig Glück sahen wir Perus Nationalvogel, den Gallito de las Rocas. Dieser „Felsenhahn“ leuchtet mit seinem roten Gefieder wie eine Verkehrsampel im Gebüsch und schreit wie am Spieß herum. Auch Schmetterlinge in allen Farben flatterten um uns herum. Besonders schön war dabei ein Exemplar mit transparenten Flügeln.


Der nächste Tag wurde gleich abenteuerlich begonnen. Es ging mit dem Raftingboot den Fluss herunter, der später einmal der Rio Madre de Dios werden soll. Das Rafting war zwar recht anspruchslos, doch die tolle Natur und die witzige Besatzung des Bootes machten den Ausflug zum Erlebnis. Zu sehen gab es Wasservögel, Adler, große Spinnen am Steilufer und jede Menge undurchdringlichen Urwald. Auch schwimmen durften wir, obwohl es uns nicht wirklich geheuer war, nachdem wir in Bolivien die vielen Kaimane gesehen hatten. Aber wer möchte schon so einen knochigen Körper kauen müssen, wenn er auch leckeren Frischfisch haben kann...wir freuen uns schon auf die kalorienreiche Weihnachtszeit!


Der restliche Weg zur zweiten Urwald-Lodge wurde schließlich in einem Langboot mit Außenborder zurückgelegt. Die Lodges bestanden aus moskitodichten Schlafhütten und schönen Esshäusern, Duschen waren zwar auch vorhanden, jedoch gab es kaum genug Wasser. Dafür befanden sich um die Lodge herum viele Wanderwege, die wir zusammen mit unserem allwissenden Guide erkundeten. Dabei sahen wir eine Unmenge an interessanten Pflanzen, wie z.B. wandernde Palmen, Schlingpflanzen, Farne, Bäume, bunte Blüten uvm. Auch die krabbelnde Tierwelt versteckte sich nicht vor uns, sodass wir mit riesigen Ameisen, Fröschen, Raupen und jeder Menge Moskitos in engem Kontakt standen. Dem Autan sei Dank, dass unsere Beine nur wir Streuselkuchen aussehen...mehr sage ich dazu nicht!


Die Temperatur war recht angenehm für eine solche Dschungelregion, nur die extreme Luftfeuchte ließ uns alle unsere Kleidung innerhalb von Minuten durchschwitzen und später auch nicht wieder trocknen. Das war eckelig!

Auch der darauffolgene Tag hatte wieder etwas für die Adrenalin-Junkies unter uns zu bieten. Nach einer weiteren schweißtreibenden Wanderung auf einen Dschungel-Huckel, konnte man sich an einem Stahlseil über, bzw. zwischen den Baumkronen der Bäume und Farne herunterrollen lassen und die Aussicht genießen. Nach 5 langen Rollpassagen folgte noch ein 10m-Abseilen in den dichten Urwald. Wer sich da nicht wie Tarzan an der Liane gefühlt hat, der ist selber Schuld oder hat die Filme nicht gesehen.


Bei einer weiteren Wanderung im strömenden Regen mit anschließender Floßfahrt über einen kleinen See, konnten wir ein paar schöne Wasser vögel und ein Päarchen Capiwaris beobachten. Leider ist uns jedoch keine der dort vorkommenden Boa Constrictor über den Weg gerutscht. Das wäre auch zu schön gewesen. Dafür durften wir vielen großen und bunten Papageien beim Knabbern an den nährstoffreichen Steilwänden des Ufers zuschauen. Sie neutralisieren damit ihren giftigen Mageninhalt, den sie bekommen, wenn sie zu viele unreife Früchte und Samen essen.


Bei einer Nachtwanderung hatte ich dann noch die Möglichkeit viele kleine Insekten und Frösche zu sehen. Die Highlights hierbei waren eine ca. 15cm durchmessende, extrem haarige Spinne und ein giftiger Frosch, die neben mir im Blätterwerk saßen.


Der letzte Tag bestand wiederum aus einer langsamen Fahrt mit dem Ford-Van, die aber zur Abwechslung durch kleinere Pannen-Pausen unterbrochen wurde. Einmal war der Querlenker der Vorderachse locker und wurde mit einem Gummiband geflickt und ein anderes Mal war plötzlich das Kupplungspedal lose und unser talentierter Fahrer ist im 2. Gang ohne Kupplung angefahren – also mit dem Anlasser! Unglaubliche Sachen erlebt man hier. So muss das sein!

Samstag, 13. November 2010

Auf nach Peru

Auf dem Weg vom Dschungel zurück nach La Paz haben wir einen kleinen Zwischenstop in Coroico eingelegt, einer kleinen Stadt im Hochlanddschungel. Die Fahrt mit dem Bus war sehr aufregend, da die Schotterpiste nicht unbedingt breit genug war für Bus und die entgegenkommenden LKWs. Im Ort haben wir uns ein tolles Hotel mit Pool geleistet (für unglaubliche 6€ pro Person), die Aussicht genossen und uns zu einer kleinen Wandertour aufgemacht. Dabei entdeckten wir 3 Aras und sahen viele Coca-Felder. Der Anbau von Cocablättern ist laut Betäubungsmittelgesetz in Deutschland verboten und weltweit nur in Bolivien, Peru und Kolumbien gestattet, natürlich nur für legale Zwecke. Die Blätter werden nach der Ernte für 4 Stunden in der Sonne getrocknet und entweder zu Tee weiterverarbeitet bzw. von den Einheimischen zusammen mit Kalk gekaut. Dieses wandelt Kokain in ein anderes Alkaloid um und macht es löslich für den Speichel. Coca-Kauen gehört hier einfach zum alltäglichen Leben dazu, es hilft gegen die Höhenkrankheit, gegen Hunger und Schmerzen. Und ein Beutel mit Blättern ist für 0,50€ auf den Märkten zu erwerben. Wir haben das Ganze natürlich auch ausprobiert, aber die Blätter schmecken unglaublich bitter, so dass ich den Tee vorziehe.


In La Paz waren wir dann eigentlich nur für 1 weitere Nacht, da wir am nächsten Tag einen Ausflug zu der bedeutendsten archäologischen Ausgrabungsstätte Boliviens, nach Tiahuanaco, gemacht haben. Diese Prä-Inka-Kultur existierte zwischen 1500 v.Chr. und 1000 n. Chr. Sie gehörten mit zu den ersten Hochkulturen in Südamerika, hatten ihr eigenes Zahlen- und Kalender-System, stellten hochwertige Keramik her und bauten riesige Tempelanlagen. Diese waren mit einem natürlichen Megaphon aus Stein versehen, damit jeder Bewohner die Ansprache des Priesters hören konnte. Neben der Sonne als Energiebringer wurden der Condor als Herrscher der Lüfte, der Puma als Herrscher an Land und Fische als Herrscher im Meer verehrt. Die Wächter des Tempels waren riesige bis zu 7 m hohe Steinfiguren, die Priester darstellten. Seit 3 Jahren wird die Anlage rekonstruiert, aber es muss noch eine Menge getan werden, damit man eine Vorstellung von deren Prächtigkeit bekommt. Aber dafür hat unser Guide sein Bestes versucht, uns mit seinem schauspielerischen Talent die alte Kultur näher zu bringen.

sorry für die Nackenschmerzen, wir konnten es leider nicht drehen!


Auf dem Rückweg nach La Paz haben wir uns in einem Vorort herausschmeißen lassen und nahmen den Bus nach Copacabana am Titicaca-See. So idyllisch wie dieses Örtchen auch liegt als Tor zur Sonneninsel (der Geburtsstätte der Sonne nach Inka-Auffassung), einen entscheidenden touristischen Nachteil hat es dennoch: es gibt keinen Geldautomaten für ausländische Kreditkarten!!! Da wir abends ankamen und die Bank natürlich schon zu hatte, standen wir erst einmal ein wenig ratlos rum, bis uns zum Glück einfiel, dass wir noch ein paar Euros übrig hatten. So konnten wir dann endlich unsere hungrigen Mägen füllen – mit leckerer Forelle aus dem Titicaca-See. Chris ist sie jedoch nicht ganz so hervorragend bekommen und so fiel unsere geplante Tour zur Sonneninsel am nächsten Tag sprichwörtlich ins Klo. So sind wir nur ein bisschen in der Stadt herumgelaufen, z.B. waren wir bei der heiligen Jungfrau von Copacabana (der heiligsten Figur in ganz Bolivien)und hatten von einem Ausguck einen tollen Blick über den Titicaca-See, der mehr ans Meer als an einen See erinnert.


Am nächsten Morgen mussten wir uns auch schon auf den Weg nach Cusco machen, um Ronny und Janet (Chris bester Schulfreund) vom Flughafen abzuholen. Wenn ihr das hier lest, stürzen wir uns zu 4. auf peruanischer Seite gerade in neue Abenteuer.

Von 4000m in den Dschungel

 Während Chris sich seinen Berg hochquälte, habe ich die Zeit genutzt die quirlige Stadt La Paz zu erkunden. Da gerade Allerheiligen war (und somit Feiertag, um die Niederkehr der Geister der Toten zu feiern) herrschte überall reges Treiben. Ich schlenderte also über die vielen, vielen Märkteund hätte am liebsten an jeder Ecke angehalten um ein Foto von den Verkäuferinnen zu machen. Doch die vorwiegend indigenen Frauen (Bolivien besitzt bis zu 70% ursprünglich indianische Bevölkerung) lassen sich sehr ungern fotografieren. Vor allem auf dem berühmten Hexenmarkt, wo man gegen jedes Wehwehchen ein Kraut, Lama-Embryos oder Amulette kaufen kann, musste ich mehrmals höflich nachfragen. Neben Souvenirs gibt es über Obst und Gemüse, Schuhe, Kleidung bis hin zu Emaillewaren wirklich alles zu erwerben, was das Herz begehrt. Leider muss jetzt mein Rücken darunter leiden, da mein Rucksack doch etwas an Gewicht zugelegt hat, sprich er platzt aus allen Nähten ;-).


Ein Stadtrundgang durch La Paz, welches übrigens die längste Flugzeuglandebahn, das höchstgelegene Parlament und den höchstgelegenen Golfplatz der Welt sein Eigen nennt, ist zwar an einem Vormittag machbar, aber man kommt bei den Steigungen der Straßen schon ganz schön ins Schwitzen. Zum Glück gibt es überall schattige Plätze zum Ausruhen, vor allem der Hauptplatz mit Kathedrale, Präsidentenpalast und Regierungsgebäude lädt zum Verweilen ein. Von seiner schönsten Seite zeigt sich La Paz jedoch von einem der Ausgucke, von wo man in den Kessel hinunterschaut und im Hintergrund die schneebedeckten Andengipfel sieht. Eben eine Stadt mit besonderem Flair.


Außerdem habe ich noch einen Tagesausflug in die Umgebung gemacht. Zuerst ging es hoch hinauf – auf den Chacaltaya, wo Chris‘ Idee für seinen 6000er entstand. Als ich schnaufend oben ankam, war ich froh mich dagegen entschieden zu haben Chris zu begleiten. Und dabei hatte ich noch Vorteile durch unsere Akklimatisierung (wir waren ja schon seit 1,5 Wochen auf 3000m Höhe) – es waren Brasilianer mit dabei, die 2 Tage zuvor erst hier angekommen sind, die es nicht bis auf den Gipfel (5430m) geschafft haben. Danach gings noch ins Mondtal, eine bizarre Formation aus Sandstein und Lehm, die tatsächlich mondhaft erscheint, aber leider nach und nach der Erosion zum Opfer fällt. Alles in allem habe ich die 2,5 Tage ohne Chris gut überstanden, war aber sehr glücklich als er am nächsten Mittag wieder im Hostel ankam, was mich darin bestätigt, dass Zu-Zweit-Reisen viel schöner ist als alleine.


Nachdem Chris sich wieder einigermaßen erholt hatte, starteten wir zur nächsten großen Tour, nämlich in den Dschungel. Ein kleines Flugzeug für maximal 20 Personen brachte uns in einer halben Stunde von 15 zu ca. 25°C und extremer Luftfeuchtigkeit nach Rurrenabaque. Der Flug an sich war schon ein Highlight, wir flogen direkt über die Anden, die Gipfel zum Greifen nahe und dann urplötzlich war alles grün mit ein paar kleineren Erhebungen malerisch durchbrochen von einem schmalen Fluss. Da wir morgens gegen halb 8 schon angekommen sind, ging es auch gleich am selben Tag mit dem Jeep, 2 Franzosen und 2 Australiern zur Tierbeobachtung los, jedoch nicht direkt in den Dschungel, sondern ins angrenzende Pampasgebiet (baumlos, voll mit Sümpfen). Nach einer 3-stündigen holprigen Autofahrt verfrachteten wir unser Gepäck in einen kleinen Kahn, der uns langsam zur Unterkunft für die nächsten beiden Tage schipperte. Und dabei gabs viel zu sehen: tausend Kaimane, die um uns herumschwammen, ganz viele Wasservögel, Schildkröten, Affen und Capiwaris, wie schwanzlose Wildschweine aussehende Fluss-Säugetiere, die es nur hier im bolivianischen Dschungel gibt. Ach und natürlich schwirrten Millionen Mücken um uns herum – zum Glück war unsere kleine Holzhütte mit Mosquitonetzen ausgestattet, aber diese Mistviecher haben es trotzdem irgendwie geschafft uns zu zerstechen.


Nachts hat es übrigens wie aus Eimern geschüttet und genau zum Aufstehen wie bestellt aufgehört. Mit Gummistiefeln ausgerüstet (die mir dank 2 Löcher trotzdem nasse Füße verschafften) ging es nach dem Frühstück auf Anakonda-Suche im Sumpfgebiet. Normalerweise schwimmen sie bei Sonnenschein relativ nah an der Wasseroberfläche um sich zu sonnen, da es aber immer noch bewölkt war, mussten wir im angrenzenden Wald nach denen weitersuchen, die es sich schon wegen der Regenzeit in großen Baumlöchern bequem gemacht haben. Nach 2 Stunden wurden wir dann endlich fündig und konnten einen kurzen Blick auf die Schlange werfen.


Danach gings zum Mittagessen und zur Siesta in den Hängematten (mit idyllischem Blick auf den Fluss) zurück zur Lodge und am Nachmittag machten wir uns auf unser Abendessen zu fangen. Mit kleinen Angeln versehen, wollten wir eigentlich Piranhas fangen, aber irgendwie sind uns nur Catfish an den Haken gekommen. Und zum Sattwerden für 6 Mann hat es auch nicht wirklich gereicht, aber es ist ein tolles Gefühl seinen selbst gefangenen Fisch zu essen. Am letzten Tag sind wir früh am Morgen zum Flussdelfin-Schauen wieder mit dem Boot losgefahren und Mutige konnten mit ihnen bzw. mit den tausend Krokodilen schwimmen gehen. Keine Angst, die Jumping-Crocodile-Tour in Australien hat uns geprägt, und wir haben uns die pinken Delfine lieber vom sicheren Boot aus angeschaut. Nur leider waren sie so schnell, dass noch nicht mal Chris sie vor die Linse bekommen hat. Dann war es auch schon wieder so weit die lange Heimfahrt anzutreten. 20 Kilometer vor dem Ziel blieb der Jeep jedoch plötzlich stehen und wir hatten uns schon auf eine lange Warterei eingestellt, doch unser Fahrer stellte sich als Buschmechaniker heraus und entdeckte den Übeltäter sehr schnell. Der Benzinfilter war komplett verstopft, da in Bolivien scheinbar eine ganze Menge zugemischt wird und nach einer groben Reinigung konnten wir wieder aufspringen. Fazit: Es war ein sehr schöner Ausflug, aber wir saßen unserer Meinung nach ein bisschen zu lange im Boot und wären lieber mehr gelaufen. Wir sind aber nach dem Jahr wahrscheinlich auch schon ein bisschen verwöhnt – auf jeden Fall hat uns die Dschungelexpedition in Thailand vor 4 Jahren viel besser gefallen.

Mittwoch, 10. November 2010

6088…

…meine neue Lieblingszahl!

In La Paz, der heimlichen Hauptstadt Boliviens, kann man nicht nur über wunderschöne Märkte spazieren und getrocknete Lama-Föten kaufen (falls man ein Haus bauen möchte und nicht weiß, was man einmauern sollte) sondern man hat auch sehr einfachen Zugang zu sehr, sehr hohen Bergen. Als ich vor 5 Jahren schon einmal auf dem 5400m hohen Chachaltaya stand und zu dem über 6000m hohen Nachbarberg „Huayna Potosí“ herüberschaute, entstand tief in mir der Wunsch, einestages dort heraufzuklettern. Nun sollte es endlich soweit sein. In einer der vielen Agenturen organisierte ich mir also einen privaten Guide und alle nötigen Ausrüstungsgegenstände.

Morgens holte mich Sabino, mein netter Bergführer für die nächsten Tage, ab und wir fuhren im Taxi zum Basislager auf 4700m. Hier sollte erst einmal der Umgang mit der Ausrüstung geübt werden. Dazu gehörten neben Bergschuhen, Steigeisen, Eispickel, Klettergurt und Kletterhelm auch eine wasserfeste Hose, Jacke, Handschuhe und Gamaschen. Zum Testen ging´s nun auf den nahen Gletscher. Hier wanderten wir einfach schnurgerade über´s Eis – über Spalten und Steilkanten. Geil! Wenn es für die Steigeisen zu steil wurde, konnte man immernoch mit dem Eispickel nach Halt suchen. Zum Schluss durften wir (ich hatte inzwischen 2 nette Engländer kennengelernt) noch an einer senkrechten Wand unsere spärlichen Eiskletterkünste unter Beweis stellen. Man, war das anstrengend! Das schwierigste dabei war, den mit voller Wucht in die Eiswand gehauenen Eispickel, wieder freizubekommen, ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren und abzurutschen. Nach 3 Mal klettern waren meine Arme wie Pudding und wir gingen geschafft zurück in das gemütliche Basislager.


Der zweite Tag stand ganz im Zeichen der Akklimatisierung. Wir wanderten mit aller Ausrüstung im Rucksack die 2 Stunden bis zum Hochcamp auf 5130m. Das klingt zwar wenig, jedoch waren die Rucksäcke so schwer und die Luft schon so dünn, dass wir danach stundenlang im Schlafsack lagen und nur zum Kartenspielen fähig waren. Geschlafen wurdedabei in einem großen Raum, Schlafsack an Schlafsack. Insgesamt trudelten bis Abends rund 18 Personen ein, die den Gipfelsturm in der Nacht probieren wollten.
Da wir 3 uns auf der Tagesetappe vom Basis- zum Hochcamp ganz gut geschlagen hatten, entschieden unsere Bergführer, dass wir erst 2 Uhr nachts starten bräuchten – alle anderen begannen den Aufstieg eine Stunde früher. Leider tat ich in dieser Nacht kein Auge zu. Dann hieß es 1 Uhr aufstehen, Coca-Tee trinken, Ausrüstung anlegen und in den Kampf stürzen! Und ein solcher sollte es auch werden!
Bei sternenklarer Nacht und geschätzten 5 Grad minus gings auf den Gletscher. Im Schein der Stirnlampe kletterten wir Schritt für Schritt gen Gipfel...und das stundenlang und ohne jegliche Abwechslung! Die Schrittlänge wurde mit jedem Höhenmeter etwas kürzer und auch die Pausen häuften sich. Bei 5700m kam die erste Kletterstelle. Zum Glück war es noch so dunkel, dass ich nicht sah, wie steil es wirklich war und dass ich in eine Gletscherspalte fallen würde, sollte ich abrutschen. Wie ein Maikäfer pumpend zerrte ich mich hoch. Immerhin war ich ja noch am Guide angeseilt – der wird sich schon irgendwie festhalten um nicht mit mir im ewigen Eis zu verschwinden.


Bei 6000m Höhe betrug meine Schrittlänge noch ca. 15 cm und die Frequenz sank rapide. Nach jeweils 3-4 Schritten wurde eine Pause eingelegt - nee, musste ich eine einlegen! Als Belohnung gab es einen der schönsten Sonnenaufgänge, die ich bisher gesehen habe. Weit unter uns waren die Wolken zwischen den Berghängen gefangen und in der Ferne drohnte vor einem fantastischen roten Himmel die Silhouette des fast 6500m hohe Illimani – La Paz´s Hausberg. Leider hatte ich in diesem traumhaften Moment überhaupt gar keine Lust Bilder zu machen. Um das will was heißen!
Die letzten 100 Höhenmeter hatte ich dann das Ziel vor Augen und war dementsprechend mutiviert. Der innere Schweinehund hatte schon vor Stunden kapituliert, nun sollte der Kampf mit dem Berg entschieden werden! Um 6:45 Uhr war es schließlich soweit - 2 : 0 für mich, jippi! Der 6088m hohe Huayna Potosí ist bezwungen!!


Nach den Siegerposebildern musste ich mich erst einmal hingesetzt und konnte die Landschaft genießen. Nebenbei musste ich versuchen die 17 herumschwirrenden Sauerstoffmoleküle zu atmen, bevor sie jemand anderes bekommt. Mein Guide hat übrigens vor langer Zeit aufgehört zu zählen, wie oft er schon hier oben war. Er macht diese Tour 1 – 2 mal die Woche, egal bei welchem Wetter, seit Jahren! Sein Schweinehund ist nur noch ein Plüschtier.


Der Abstieg gestaltete sich hingegen angenehmer als gedacht. Keine Luftnöte penetrierten die Lungen, dafür sah ich jetzt, wo ich hinlief. Überall im Gletscher klafften tiefe Eisspalten mit meterlangen Eiszapfen und wunderschönen Eisfiguren in sich. Einige Male überquerten wir eine Spalte auf einer dünnen Eisbrücke, die ich im Dunkeln nicht als solche erkannt hatte – wuhaha! Die krasseste Stelle war jedoch ein Sprung über eine 1,5m breite und ca. 40m tiefe Spalte. (Keine Sorge Mutti, mein Guide hatte mich dabei sehr gut gesichert!)


Nach 2 Stunden Abstieg kamen wir wieder am Hochlager an, ruhten uns etwas aus und packten unsere Sachen. Mit vollem Gepäck ging es dann die restliche zermürbende Stunde hinunter um Basiscamp. Spätestens hier hatte jeder die Nase voll vom Wandern.


Die richtige Freude über die Besteigung meines ersten 6000er Berges kam jedoch erst viel später auf - erst einmal musste ich Schlaf nachholen.

 Jetzt, im Nachhinein, bin ich ganz stolz die Tour so gut überstanden zu haben. Die krassen Kopfschmerzen, die mich in der Nacht vom Schlaf abgehalten haben, sind bei der Besteigung zum Glück ausgeblieben und auch so war der Aufstieg schmerzloser als gedacht. Obwohl ich am Berg schon ab und zu gezweifelt habe, was ich da tue. Aber zum Glück erinnert man sich später nur an das Gute! Von den 18 Personen, die den Aufstieg nachts begannen, mussten mindestens 6 wegen körperlicher Schwäche oder Übelkeit aufgeben, 2 werden noch vermisst. (nee, Spass!)